Der Ba'al Schem Tov im Angesicht des Todes, Geschichten

Die jüdische Tradition versteht das Sterben als natürlichen Teil des Lebens. Die Hebräische Bibel und der Talmud wie auch jüdische Erzählungen bieten ethische Richtlinien im Umgang mit Sterbenden an. Sie widmen sich spirituellen Einsichten oder der Verarbeitung der persönlichen Verlusterfahrung durch den Tod eines nahestehenden Menschen. Rosy Lilienfeld befasst sich in ihren Illustrationen zu den Legenden des Ba‘al Schem Tov von 1935 auch thematisch mit dem Tod. Durch das Nacherzählen in Bildern reiht sich Rosy Lilienfeld auf ihre Weise in die chassidische Erzähltradition ein.

3 min Lesezeit

Bilder zur Legende des Baalschem

Die jüdische Tradition versteht das Sterben als natürlichen Teil des Lebens. Die Hebräische Bibel und der Talmud wie auch jüdische Erzählungen, die später entstanden sind, bieten ethische Richtlinien im Umgang mit Sterbenden an. Sie widmen sich spirituellen Einsichten oder der Verarbeitung der persönlichen Verlusterfahrung durch den Tod eines nahestehenden Menschen.

Rosy Lilienfeld (1896-1942) war eine jüdische expressionistische Künstlerin aus Frankfurt, die mit ihren ausdrucksstarken und oft düsteren Bildern Bekanntheit erlangte. Nach ihrer Ermordung im Vernichtungslager Auschwitz, geriet sie zunächst in Vergessenheit. Das Jüdische Museum arbeitet seit Jahren daran, sie als Künstlerin wieder bekannt zu machen.

Eines ihrer bedeutendsten Werke ist ihr Buch "Bilder zur Legende des Baalschem" von 1935. Ihre Illustrationen zu den Legenden des Ba‘al Schem Tow, dem Begründer des Chassidismus, basieren auf den Publikationen von Martin Buber.

Sie fangen die mystische und spirituell aufgeladene Atmosphäre der Erzählungen ein und zeigen ihre Fähigkeit, tiefgründige religiöse Themen mit einer modernen Ausdrucksweise zu verbinden.

Zu den drei Grafiken, die im Rahmen der Ausstellung „Im Angesicht des Todes“ zu sehen sind, haben wir unsere Besucherinnen und Besucher sprechen lassen:

Rosy Lilienfeld, An dem Totenbette ihres Mannes schreit eine Frau auf und der Ruf entfliegt ihrem Munde (aus: Bilder zu der Legende des Baalschem), 1929, Kohle auf Papier, Jüdisches Museum Frankfurt; Foto: Herbert Fischer

Imane, 16 Jahre:

„Auf dem Bild ist ein Mann zu sehen, der in seinem Bett im Sterben liegt. Es sieht aus, als würde er friedlich sterben. Er hat seine Hände übereinandergelegt. Neben dem Bett steht außerdem noch eine Frau, die nach oben schaut. Es scheint, als würde sie ein Gebet sprechen. Währenddessen schickt sie einen Engel zu der Seele des Verstorbenen. Das Bild erscheint so ruhig und traurig zugleich. Jeder von uns nimmt einen Verlust anders wahr. Das Bild gibt mir das Gefühl, das es am besten sei, sich ruhig zu verhalten und mit einem Gebet zu verabschieden. Jeder von uns wird einmal sterben und seine eigene Trauer kann man am besten zeigen, indem man Gutes für die Seele des Sterbenden betet.“

Rosy Lilienfeld, Der Baalschem auf dem Totenbette mit seinen Jüngern (aus: Bilder zu der Legende des Baalschem), 1930, Kohle auf Papier, Jüdisches Museum Frankfurt; Foto: Herbert Fischer

Veit, Museumsdirektor und Pfarrer:

„Mich berührt die Trauer und Fassungslosigkeit der Anwesenden am Totenbett. Mich fasziniert, wie der sterbende Rabbi ganz wach seinen Schülern zugewandt ist. Rosy Lilienfeld zeichnet die Szene vom Abschied des heiligen Baalschem von seinen Schülern genau so, wie Martin Buber sie im Buch ‚Legenden des Baal-Schem-Tow‘ erzählt. Nicht viele haben die Gelegenheit, sich am Sterbebett mit intensiven Gesprächen zu verabschieden. Das tröstet. Die Künstlerin wird 1942 in Auschwitz ermordet. ‚Die vergessene Geschichte‘ aus den Legenden Bubers, zu der die Illustration gehört, kannte ich vorher nicht. In Rosy Lilienfelds Zeichnung brennt die Flamme des Lebens bis heute.“

Rosy Lilienfeld, Flug gen Himmel nach dem Tode (aus: Bilder zu der Legende des Baalschem), 1930, Kohle auf Papier, Jüdisches Museum Frankfurt; Foto: Herbert Fischer

Stephanie, 13 Jahre:

„Auf mich wirkt das Bild sehr traurig und einsam, obwohl das Mädchen nicht alleine ist und ein Mann sie in den Himmel begleitet. Zum Glück, wo dieses wunderbare Mädchen Gott nähertreten und ein Leben ohne Schmerzen haben kann. Mir gefällt das Bild sehr, weil nicht alle Bilder etwas mit Fröhlichkeit zu tun haben müssen. Nachdem ich mir das Bild angesehen habe, kann ich mir in Ruhe Gedanken darüber machen, wie das Leben nach dem Tod weitergeht. Allerdings spricht mich auch nicht alles an, wie z. B. dass nicht alles erkennbar ist und sich Angst in das Bild hinein schleicht und sich über meine Gedanken legt. Es stellen sich mir aber auch Fragen: Wie alt ist sie? Wie ist das alles geschehen? Ist es ein Verwandter, der sie in den Himmel begleitet? Durch meine Vergangenheit komme ich mit dem Bild in Berührung.“

Interessante Links zu diesem Thema