Rosy Lilienfelds Lebensweg ist bisher nur lückenhaft nachvollziehbar. Sie lebt bis zu ihrer Flucht 1939 in Frankfurt am Main und hat immer wieder mit ihrem Gesundheitszustand zu kämpfen. Ihre Ansichten Frankfurts zeigen die Stadt in einem expressionistischen Stil, ihre Illustrationen zu weltlichen und religiösen Werken sind sehr eng an den Texten ausgerichtet und zeigen häufig Szenen, die sonst kaum in der Kunst dargestellt sind.
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Jugendjahre und erster Weltkrieg
Rosy Lilienfeld wird am 17. Januar 1896 in Frankfurt am Main geboren. Sie lebt zusammen mit ihren Eltern, dem Börsenmakler Ludwig Lilienfeld und seine zweite Ehefrau Esther, genannt Minnie. Zudem hat sie zwei Geschwister, einen Halbbruder Max, der die Shoah in England überlebt, und Fredy Samuel, welcher bereits 1913 stirbt.
Sie wohnt im Frankfurter Westend, zunächst in der Feldbergstraße 15 und ab 1931 in der Freiherr-vom-Stein Straße 15. Mit 19 Jahren arbeitet sie, während des 1. Weltkriegs, als sogenannte Pflegerin. Unmittelbar nach Ende des Krieges beschließt sie, als Künstlerin tätig zu werden. 1918 mietet sie ein Atelier des Städelschen Kunstinstituts- Atelier 14a in der Dürerstraße 10. Bis 1934 kann sie es unterhalten, dann wird es ihr wegen Verzugs der Mietzahlung gekündigt.
Anfangsjahre als Künstlerin
Rosy Lilienfeld ist als Malerin, Zeichnerin und Holzbildhauerin tätig. Sie studiert bei dem Frankfurter Maler Ugi Battenberg im Umfeld von Künstlerinnen und Künstlern wie Max Beckmann, Mathilde Battenberg und Ottilie W. Roederstein. Schon bald ist sie ein etabliertes Mitglied der Frankfurter Künstlerschaft der 1920er und 1930er Jahre.
Zu Beginn zeichnet und malt sie Ansichten von Frankfurt. Sie stellt das dar, was sie umgibt: die schroffe und zeitgenössische Großstadt. Industrielle und dunkle Szenen des nächtlichen Frankfurts reihen sich neben Straßenszenen und Ansichten des Mainufers. In ihren Bildern fängt sie die Atmosphäre der Stadt und des Umlands ein. Beindruckend ist die Fülle der Blätter, sie haben keinen skizzenhaften Charakter, sondern stehen für sich.
Tram bei Nacht vor Häuserreihen
und
Spaziergänger
Entgegen anderer Künstler*innen ihrer Zeit reist Rosy Lilienfeld nicht, ihr Wirkungsraum ist Frankfurt. Dies hängt auch zusammen mit ihrer Krankheitsgeschichte. Seit einem ersten Klinikaufenthalt 1920 ist sie wegen manisch-depressiver Zustände bis 1936 wiederholt in psychiatrischer Behandlung.
Rosy Lilienfeld - eine Vertreterin des Expressionismus
Ihr Stil verändert sich Mitte der 20er Jahre. Sie wird nicht mehr ebenfalls als Postimpressionistin rezipiert, sondern dezidiert als Vertreterin des Expressionismus. Zudem beginnt sie ab 1929 damit Illustrationen anzufertigen. Das erstes von ihr skizzierte Werk ist die Kurzgeschichte Der verlorene Atem von Edgar Allan Poe.
Neben Illustrationen zu Werken von Fjodor Dostojewski, Franz Kafka, Gottfried Keller und Joseph Roth, illustrierte sie eine eigene Novelle. Die heute nicht überlieferte Geschichte trägt den Titel Das Reich ohne Tag.
Ihr eigenes Buch folgt 1935, Die Bilder zur Legende des Baalschem. Auf Deutsch und Englisch erzählt sie die von Martin Buber geschriebene Legende des Baalschem nach und bebildert sie.
Die Seele des Baalschem und die Seele des Rabbi kämpfen als Saul und David im Weltall (Originaltitel)
und
Illustrationen z.d. Legenden d. Baalschem von Martin Buber, I. Kreis
Sie stellt unter anderem aus im Kunstverein Frankfurt 1930, im Kupferstichkabinett Städel 1931, im Gesellschaftshaus Bad Homburg im gleichen Jahr und 1932 im Kunstgewerbemuseum Frankfurt. Ihre Arbeit wird vor allem in Frankfurt vielfach rezipiert. Das Gemeindeblatt der IG Frankfurt, das Frankfurter Israelitisches Gemeindeblatt und die Blätter des Jüdischen Frauenbundes sind nur einige davon. Sie selbst kommt auch zu Wort und bespricht ihre Baalschem-Bilder im April 1933 in dem Frankfurter Israelitisches Gemeindeblatt (S. 188-189):
„(…) vielleicht wird es aus diesen wenigen Worten klar, was es für einen Künstler bedeutet, in den chassidischen Legenden eine Welt gefunden zu haben, in der Reales und Irreales flimmernd ineinanderspielen, in der alltägliche Dinge sich unmittelbar in Wahrzeichen einer höheren Welt verwandeln und Symbole der oberen Welt plötzlich erdnah in die Erscheinung treten. Hier ist also ein ungeheurer Stoff dessen bildliche Darstellung verlangt, dass das Gegenständliche, scheinbar Reale, irreal wird, symbolhaft für das wirklich Reale, das ist das Geistig, Göttliche, das in und über allen Dingen ist. Damit ist aber eine enge Verbindung zwischen Kunst und Religion gegeben, oder auch die „Kunst als Ausdruck religiösen Erlebens“ (…)“
Flucht
Durch die Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 und den Tod des Vaters 1935 verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation der Familie. Rosy Lilienfeld, die mittlerweile ihr Atelier in der Dürerstraße hat aufgeben müssen und sich 1933 erwerbslos meldet, arbeitet von zu Hause aus. 1937 kommt es zum Auszug aus der Wohnung in der Freiherr-vom-Stein-Straße 15. Im Frankfurter Adressbuch von 1938 ist Minnie Lilienfeld kurz in der Arndtstraße 46, ab 1939 gemeinsam mit Rosy in der ersten Etage der Arndtstraße 53 verzeichnet.
Am 17. Juli 1939 wird von Rosy Lilienfeld und ihrer Mutter ein Ausreiseantrag gestellt. Das angegebene Ziel ist England. Die Kündigung der Wohnung in der Arndtstraße 53 ist auf den 1. Oktober 1939 datiert. Da sie jedoch nicht mehr nach England reisen können, flüchten sie zusammen in die Niederlande. Die Originalzeichnungen zu ihrem Buch nimmt Rosy Lilienfeld mit auf die Flucht. Alle Gemälde und Skulpturen gelten als verschollen. Allein einige Zeichnungen tauchen in den 1990er Jahren im Kunsthandel wieder auf.
Ab dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht im Mai 1940 sind Rosy Lilienfeld und ihre Mutter gezwungen, sich in den Niederlanden zu verstecken. Eine Überfahrt nach England ist nicht mehr möglich. Zunächst bleibt Rosy Lilienfeld in Rotterdam und wechselt innerhalb der Stadt ihren Wohnort. Ab dem 23. November 1939 lebt sie in Katshoek 26a, ab dem 28. Dezember in der Adrien Mildersstraat 38b und ab dem 31. Mai 1940 in der Adrien Mildersstraat 15b.
Zuletzt lautet ihre Adresse ab dem 26. Februar 1941 Abstederdijk 317a in Utrecht, wo man sie im darauffolgenden Jahr verhaftete. Am 7. August 1942 wird sie in das niederländische Zwischenlager Westerbork gebracht, bevor sie am 28. September 1942 nach Auschwitz deportiert und dort zwei Tage später ermordet wird.
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