Die Judengasse, Geschichten

Frankfurt am Main hat eine über 800-jährige, bedeutende jüdische Geschichte. Schon im 12. Jahrhundert siedelten Juden in Frankfurt. Die ältesten Wohnsitze lagen im Zentrum der Stadt. 1462 mussten die Juden in die neu angelegte Judengasse übersiedeln, die durch Mauern und Tore vom Rest der Stadt getrennt war. Es war das erste Ghetto Europas. Von 1462 bis etwa 1800 war dies der einzige Ort in Frankfurt, in der Jüdinnen und Juden wohnen durften.

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In der Judengasse verwalteten sich die Juden selbst. Es gab Synagogen, Ritualbäder und sonstige Einrichtungen des religiösen Lebens. Ehrenamtliche Gemeindevorsteher regelten das Zusammenleben und erhoben Steuern. Wohltätige Vereine unterstützten die armen Bewohner der Judengasse. Die Frankfurter Rabbiner waren wegen ihrer Gelehrsamkeit weit über die Grenzen der Stadt hinaus geachtet.

Juden in der Messestadt

Frankfurt war ein attraktiver Zuzugsraum – trotz der beengten Wohnverhältnisse und einer Reihe einschränkender Bestimmungen. Aber die Messestadt Frankfurt bot genügend ökonomische Entfaltungsmöglichkeiten und erlaubte der Gemeinde Selbstverwaltung, so dass ein Leben nach der jüdischen Tradition gewährleistet war. Bedeutende Rabbiner lehrten hier und zogen Talmudschüler aus ganz Europa an. Die Bewohner der Judengasse sprachen Jiddisch, sie lebten nach den jüdischen Traditionen und hatten einen eigenen Kalender.

Die Judengasse als abgeschlossener Bezirk bestand bis etwa 1800. Gleichzeitig war diese jüdische Lebenswelt durch einen engen Austausch mit der sie umgebenden christlichen Gesellschaft geprägt

Vom Börneplatzkonflikt zum Museum Judengasse

1987 wurden bei Bauarbeiten für die Frankfurter Stadtwerke die Fundamente einiger Häuser der Judengasse gefunden. Die Frage, was mit diesen archäologischen Zeugnissen der jüdischen Geschichte Frankfurts geschehen sollte, löste einen heftigen Konflikt aus. Die Judengasse war zwischen 1867 und 1882 abgerissen worden. An ihrem südlichen Ende wurde die prächtige Börneplatz-Synagoge errichtet. 1938 wurde sie im Novemberpogrom zerstört. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand hier eine viel befahrene Straße, die die alte Judengasse zudeckte. Nur der seit dem Mittelalter bestehende angrenzende jüdische Friedhof blieb erhalten. Auch er trägt Spuren nationalsozialistischer Verwüstungen. Erst mit dem Fund der Mauerreste drang die Geschichte des Ortes wieder in das öffentliche Bewusstsein. Ergebnis der Debatten war ein Kompromiss: Ein Teil der Ausgrabung blieb im Stadtwerke-Neubau erhalten. Im Museum Judengasse stehen diese Ausgrabungen im Zentrum der Präsentation. Sie beleuchtet das Alltagsleben in der Judengasse. Die Ausstellung thematisiert den gemeinsamen Kulturraum und die Verbindungen zur christlichen Stadt, Literatur und Musik, Bedeutung von Religion und Tradition.