Hauptbuch des Wohlfahrtsfonds und der Suppenküche der jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main, Unbekannt, Buch, 1785 - 1804

Die Unterstützung für arme und durchreisende Juden war in vielen jüdischen Gemeindenüber sogenannte Pletten, Berechtigungsscheine, organisiert. Wohlhabende gaben die Pletten bei den Kastenherren ab. Hilfsbedürftige erhielten eine Plette, die zu einer Mahlzeit im Haus des Plettenspenders berechtigte. In der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde dieses System zeitweise außer Kraft gesetzt. Die Gemeinde ernährte die Armen nun auf Gemeindekosten in der Garküche. Für manche Wochen kamen so Ausgaben von 50 Gulden zusammen. Dies entsprach ungefähr 500 Mahlzeiten. Im Rechnungsbuch sind diese Kosten für die Feiertage festgehalten. Die Vermerke sind in einer Mischung aus Hebräisch und Jiddisch verfasst. Die Finanzverwalter der Judengasse hießen Kastenherren, denn das Geld wurde ursprünglich in Kästen oder Kisten verwahrt. Die Kastenherren gehörten zur Führung der jüdischen Gemeinde und waren nur den Baumeistern, den Vorstehern der Gemeinde, untergeben. Eigentlich wurden sie auf sechs Jahre gewählt, hatten ihr Amt aber oft auf Lebenszeit inne. Die Kastenherren besaßen viel Macht und verwalteten unter anderem den Wohlfahrtsfonds der Gemeinde. Aus diesem wurde die Fürsorge für Arme, Waise und Alte, die Unterstützung notleidender Tora-Gelehrter und die Ausstattung armer Bräute finanziert. Bedürftige bekamen gegen geringes Entgelt Essen in der Garküche der Judengasse. Der Kastenherr Beyfus gab im Jahr 1764 einen Einblick in seinen Alltag. Er war mit der Rechnungsführung im Rückstand und verfasste folgende Klage, um sich zu entlasten: "Sitze ich bei der Arbeit, so behelligen mich die Baumeister mit ihren Angelegenheiten und verwirren mich völlig. Hunderte von Kleinigkeiten hemmen den Fortgang meiner Arbeit. Bald kommt einer in die Kastenstube um ein Haus, bald einer um einen Schulsessel (Sitz in der Synagoge) zu verkaufen, bald will einer heiraten, bald war dieses, bald jenes. Habe ich dennoch die Rechnungen zustande gebracht, so ergeben sich alle Augenblicke neue Streitigkeiten über Quittungen."

Objektdetails

Titel

Hauptbuch des Wohlfahrtsfonds und der Suppenküche der jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main

Künstler*in / Hersteller*in

Unbekannt

Datierung

1785 - 1804

Objektbezeichnung

Buch

Sammlungsbereich

JMF Archiv

Ort

Frankfurt am Main

Maße

17 x 10,5 cm

Material / Technik

Papier; Tinte

Literatur

Die Frankfurter Judengasse, Beck Verlag, München 2016

Bildlizenz

Jüdisches Museum Frankfurt, CC BY-SA 4.0

Erwerbsdatum

29.06.1999

Inventarnummer

B 1999/004

Jetzt ausgestellt

Museum Judengasse, Berufe

Dauerausstellung Museum Judengasse "Massel und Broche - Die Frankfurter Judengasse"

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