In zahlreichen Darstellungen thematisierte Ludwig Meidner die Religionsausübung, bei der für ihn das tägliche Gebet eine zentrale Rolle spielte. In seinen religiösen Idealporträts veranschaulicht er die Andacht im Dialog mit dem Schöpfer, die Inbrunst des Gebets oder die Versunkenheit in das Studium der Schriften. Obwohl diese Betenden oft unverkennbar selbstporträthafte Züge tragen, unterscheiden sie sich doch deutlich von den dramatisch gestikulierenden Figuren, die Meidners religiöse Findungsphase Mitte der 1920er Jahre begleiteten. Seit Anfang der 1930er Jahre dominiert in den Porträts eine kontemplative Stimmung, die den in sich ruhenden Gläubigen charakterisiert, den Meidner als vorbildhaft zeigt. Rechts unter der Darstellung erkennen wir das mit dem Zusatz „Colonia“ für Köln, wo Meidner ab 1935 als Zeichenlehrer an einer jüdischen Schule tätig war, versehene Monogramm des Künstlers. Seit Ende der 1920er Jahre signierte Meidner seine Arbeiten zunehmend mit dem hebräischen Buchstaben Mem („M“ für Meidner) – hier versehen mit einem kleinen Fähnchen. Zudem datierte er viele der Bilder gemäß dem jüdischen Kalender. Die hier zu sehende Jahreszahl 5696 entspricht dem Jahr 1935/36, da das jüdische Neujahrsfest nach dem gregorianischen Kalender in den September oder Oktober fällt. Um es ganz genau zu nehmen: das Blatt entstand zwischen dem 28. September 1935 und dem 16. September 1936. Das Signieren mit dem hebräischen Monogramm und das Datieren gemäß dem jüdischen Kalender kann – auch angesichts des wachsenden Drucks auf die Juden in Deutschland – durchaus als bewusstes Bekenntnis Meidners zu Judentum verstanden werden.
Objektdetails
Titel |
Zwei betende Juden |
---|---|
Künstler*in / Hersteller*in |
Ludwig Meidner |
Datierung |
1935 - 1936 |
Objektbezeichnung |
Zeichnung |
Sammlungsbereich |
JMF Kunst |
Ort |
Köln |
Maße |
69,6 x 57,8 cm, 100 x 70 cm Passepartout |
Material / Technik |
Fettkreide |
Signatur / Beschriftung |
signiert und datiert re. u.: hebräisches Monogramm (Mem) 5696 (=1935/36) Colonia Signatur |
Literatur |
Im Nacken das Sternemeer. Ludwig Meidner - ein deutscher Expressionist; hrsg. v. Tobias G. Natter; Wien: Jüdisches Museum Wien, 2001. |
Bildlizenz |
© Ludwig Meidner-Archiv, Jüdisches Museum der Stadt Frankfurt am Main |
Erwerbsdatum |
16.02.1994 |
---|---|
Vorbesitz |
- 1994: aus dem Nachlass des Künstlers |
Inventarnummer |
JMF1994-0007 II/0720 |
Jetzt ausgestellt
Ludwig Meidner. Apokalypse und Offenbarung. Religiöse Themen im Werk des Künstlers
Börnegalerie im Museum Judengasse, Kurt-Schumacher-Str. 10, Frankfurt
1996
Im Nacken das Sternemeer. Ludwig Meidner - ein deutscher Expressionist
Jüdisches Museum Wien
2001/02
Ludwig Meidner
Künste im Exil, Online-Ausstellung
2017
Ludwig Meidner. Kunst und Judentum
Google Arts and Culture, Online-Ausstellung
2017